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Eine eritreische Kaffeezeremonie




Eine eritreische Kaffeezeremonie


Bereits beim zweiten 'willisauer café international' kamen die Besucher in den Genuss eines unvergesslichen Nachmittags. Denn wir wurden von Senait Habtay und Abrehet Belaye zu einer “eritreischen Kaffeezeremonie” eingeladen.

Diese traditionelle Kaffeezubereitung ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens in Eritrea.  Es ist die Zeit für Geselligkeit und Gespräche. Zugleich ist sie auch einer der wichtigsten Aspekte der eritreischen Kultur. Sie verkörpert Respekt, Stolz und Leidenschaft.
Daher ist die Kaffeezeremonie auch voller Symbolik. In Eritrea gehört diese Zeremonie zum Alltag – bis zu dreimal am Tag in traditionellen Haushalten. Jedes Mädchen ist aufgefordert, die notwendigen Fähigkeiten im Laufe der Zeit zu erlernen. So wird auch hier, weitab von Eritrea, wöchentlich mehrmals auf traditionelle Art Kaffee geröstet und gekocht – wenn es die Zeit in unserer hektischen Welt zulässt. Der Kaffee ist für die Eritreer eine wahre Delikatesse.
Ein altes Sprichwort beschreibt vielleicht den Platz des Kaffees im eritreischen Leben am besten: „Buna Dabo naw”, heisst übersetzt „Kaffee ist unser Brot!”


Wird man zum Kaffee eingeladen, ist dies eine ganz spezielle Ehre, ein Zeichen der Freundschaft und ein hervorragendes Beispiel der eritreischen Gastfreundschaft.
Nimmt man diese Einladung an, braucht man jedoch viel Zeit, denn so eine eritreische Kaffeezeremonie kann schon mal bis zu zwei Stunden dauern. «Kaffee bedeutet auf eritreisch Ruhe, Entspannung und Kommunikation» sagt Abrehet. Zwei Stunden 'Kaffeeklatsch' – das ist für unsere zahlreichen Gäste im interkulturellen Café natürlich kein Problem.

Der eritreische Kaffee – genannt 'Bun' (ቡን) – wird immer von einer Frau zubereitet.
So wäscht Abrehet zunächst die rohen, graugrünen Kaffeesamen, um Schalen und andere Verunreinigungen zu entfernen. Die Bohnen haben einen weiten Weg hinter sich, wurden sie doch in den vulkanischen Böden Äthiopiens geerntet. 'Al-Harari' und 'Al-Luqmati' sind die besten Sorten dieses Landes. Noch schmecken sie aber eher nach “getrockneten, grünen Bohnen”, denn nach Kaffee. Aber das ändert sich nun bald, den Sanyet röstet jetzt die frischen Kaffeebohnen gefühlvoll in einer kleinen, langstieligen Pfanne, der 'Menkeshkesh’.


Das 'Keshkesh' ist der Klang der Bohnen, wenn man sie in der Metallpfanne über dem Feuer rhythmisch schüttelt, um ein Anbrennen zu verhindern. Denn normalerweise röstet man auf rot glühender Holzkohle ('Fahame') in einem kleinen Ofen, genannt 'Farnello'. Aber heute hat Mengsteab, der seine 'Kaffeeküche' zur Verfügung stellt, einen kleinen Elektroofen mitgebracht, um den Parkettboden des Pfarreisaals zu schonen. Jetzt entscheidet sich, wie der Kaffee schmecken wird und schon bald durchzieht ein wunderbarer Duft das ganze Pfarreiheim.
 


Die Hitze verdunkelt die Samen und mit ihrem eigenen Öl beginnen sie zu glänzen. Manchmal sind auch leise Knallgeräusche zu vernehmen. Sobald die Bohnen dunkel genug sind, wird der Kaffee auf die 'Meshrefet’, eine kleine Binsenmatte gestreut. Die reicht Abrehet nun mit den frisch gerösteten Kaffeebohnen reihum. Jeder darf nun den betörenden Duft in sich aufnehmen. Der Kenner, der den Duft der frisch gerösteten Bohnen zu schätzen weiss, fächelt sich dabei mit der flachen Hand die herrlichen Aromen zu. Der wunderbar, leicht beissende Geruch löst nun die Magensäfte aus und lässt im Mund das Wasser zusammenlaufen.



Die Bohnen werden klassisch in einer 'Maukatebune', einem Mörser, zerstampft oder wie bei uns hier im 'wici', einfachheitshalber elektisch gemahlen. Danach wird der zerkleinerte Kaffee wieder auf die 'Meshrefet' geleert. Die wird nun wie ein Trichter verwendet, um den Kaffee in die vom Feuer geschwärtzte 'Jebena' zu giessen. Die 'Jebena' ist ein braunes oder blaues Tongefäss – ein knollenartiger 'Kugelkrug' mit einem langen, dünnen Hals als Auslauf und einem kleinen Handgriff an der Seite.
 

Nun wird frisches, kaltes Wasser über den Kaffee im 'Pot' gegossen und oft folgen noch Gewürze, wie zum Beispiel 'Jenjeble' (Ingwer). Die 'Jebena' wird nun auf dem kleinen Ofen erhitzt und der Kaffee einige Minuten gekocht. Auf dem Elektroofen dauert das 10 bis 15 Minuten, auf der Holzkohle benötigt man dafür eine halbe Stunde.
Sanyet giesst dabei 'das Gebräu' dabei drei-, viermal für kurze Zeit in einen kleinen, 'silbrigen' Topf, auf eritreisch 'Moshrokrok', zum Abkühlen. Denn würde der Kaffee überkochen, wäre es beschämend für die Eritreerin. Doch schaut mal, ist es nicht eine wahre Kunst, wie sie den Kaffee durch die kleine Öffnung wieder in den 'Jebena' zurückgiesst?
 


Wir warten gespannt, bis der Kaffee fertig ist. Nun haben wir genügend Zeit zum Reden. Man erfährt im 'wici' immer viel Interessantes und Wissenswertes - nicht nur über die Kaffeezubereitung.

Wenn der Kaffee fertig gekocht ist, stopft die Gastgeberin ein Pferdehaare-Büschel in den langen Auslauf um das heisse Getränk zu filtern, wenn es mit viel Geschick und langer Übung, aus einer Höhe von etwa 'einem Fuss' (ca. 30 cm) ohne Unterbrechung in eine ordentliche Reihe von kleinen zarten Porzellantassen (finjal) gefüllt wird.
 



Serviert werden die grifflosen Tassen auf hübschen, verzierten Tellerchen. Traditionell würde die erste Tasse dem ältesten Gast gegeben, hier im 'wici' reicht man ihn reihum. Wer mag, trinkt dann den starken Kaffee mit viel Zucker. Milch oder gar Rahm wird in Eritrea eigentlich nicht beigemischt.

Dazu wird meistens gesalzenes Popcorn
(Ebaba),manchmal auch eher zähes Fladenbrot (Kitcha) und Nüsse gereicht oder wie hier bei uns im Café, feines süsses Gebäck dazu gegessen.


Jetzt sind wir fast wie eine grosse Familie.


Nun ist es Tradition, die Gastgeberin für ihren feinen Kaffee mehrmals zu loben – zu loben für ihre Kunst des Kaffeekochens, für den üppigen Geschmack des Kaffees während der Zeremonie und für den Kaffee selbst  ('tu um' = gut, lecker), den viele in nur einem Schluck geniessen. Mengsteab sagte mir einmal, «keine Frau auf dieser Welt kocht so guten Kaffee wie meine Abrahet, nicht einmal meine Tochter!» Das ist doch ein schönes Kompliment. Nur, der eritreische Mann macht dieses Kompliment traditionell eher nicht direkt zu seiner Frau….
 

(„Super!“ lobt Jan den feinen Kaffee)

Wer nun denkt, die Kaffeezeremonie sei nach einer Stunde damit abgeschlossen und man sollte nun nach Hause gehen, der irrt sich. Denn der Krug wird mindestens dreimal aufgegossen und dreimal wird auch die Gastgeberin und ihr Kaffee gelobt. Nach jeder 'Runde' wird das gesamte Geschirr eingesammelt und gewaschen.

D
ie erste Tasse, sie ist die Kräftigste und die Wichtigste. Sie wird 'awel', die erste Runde, genannt. Jetzt ist auch der Zeitpunkt für die delikaten Gespräche - ein Heiratsantrag, ein wichtiges Geschäft, politische Verhandlungen oder andere heikle Angelegenheiten. Die Kaffee-Zeremonie ist eben auch eine gute Plattform für Konfliktlösungen und Entscheidungsfindungen.
 

Sobald das Gespräch 'im Fluss' ist, kommt die 'kale'i', die zweite Runde.
Dieser Kaffee ist bereits etwas schwächer und steht für die Gesundheit und die Seele. Diese Tasse wird als Teil eines ”Transformationsprozesses des Geistes“ angesehen, der seinen Höhepunkt oder die Auflösung, in der dritten Tasse, der 'baraka' (’gesegnet zu sein’) findet. Sie ist auch die unausgesprochene Aufforderung, sich nun doch langsam zu verabschieden, wie Mengsteab mit einem Augenzwinkern erklärt. Denn die vierte Tasse, als 'derdja'
bezeichnet, bleibt, wie er sagt: «dem grossen Mann»  also dem Hausherrn resp. dem Ältesten vorbehalten. Wie gesagt, die eritreische Kaffee-Zeremonie ist voller Symbolik.

Wer die Zeremonie früher verlässt, gilt als unhöflich und es wäre eine Beleidigung für die Gastgeber. Man könnte ja meinen, der Kaffee wäre nicht gut gewesen.
 


Doch ganz im Gegenteil, der Kaffee von Sanyet und Abrehet im 'willisauer café international’  war ausgezeichnet und die eritreische Kaffeezeremonie hat uns sehr viel Spass gemacht. 


Ganz herzlichen Dank
an Senait, Abrehet und Mengsteab.



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