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Bericht über die Dis­kus­si­on zum Film Ramser u d Eritreer


Im ′wici′-Abendcafé sahen und diskutierten 
rund 15 Personen (die Hälfte Einheimische) 
den SRF-DOC-Film:

Bauer Ramser und die Eritreer

Die Diskussionen waren lebhaft, spannend und aufschlussreich. Leider waren nur christliche Eritreerinnen und Eritreer anwesend. Die Gespräche wären vermutlich mit nicht christlichen Besuchern noch interessanter geworden.

In den drei Gesprächsrunden während des Films wurde schnell sichtbar, dass die kulturellen Unterschiede zwischen Eritrea und der Schweiz nicht so gross sind, wie man oft annimmt. Während die Gewohnheiten und Traditionen in den eritreischen Städten ziemlich unseren hier entspricht, sind die traditionellen Unterschiede auf dem Land manchmal noch so, wie sie bei uns vor wenigen Jahrzehnten durchaus auch üblich waren.

Bereits in der ersten Gesprächsrunde zeigte sich, wie immens wichtig der Erwerb der ortsüblichen Sprache für die Geflüchteten ist. Hätte Lehrling Tesfu vorher besser Deutsch gelernt, wären ihm und seinem Lehrmeister Markus Ramser einige Schwierigkeiten während der Lehre erspart geblieben.
Trotzdem zeigen die Erfahrungen in unserem Café immer wieder, wie schwierig es ist, die Geflüchteten davon zu überzeugen, dass gute Sprachkenntnisse und eine berufliche Ausbildung die wichtigsten Grundlagen für alle nachfolgenden Arbeits- und Integrationsmassnahmen sind. Oft wollen die Geflüchteten möglichst rasch Geld verdienen, um von der Sozialhilfe wegzukommen. Denn finanzielle Selbstständigkeit ist für die allermeisten Migrierten eine Ehrensache.

Die Beziehung zwischen Tesfu und seiner Ehefrau Merhawit wurde ebenfalls spannend diskutiert. Einig war man sich dabei, dass von Eltern arrangierte Ehen heute von jungen Leuten auch in Eritrea kaum noch akzeptiert werden. Sie sind auch nicht mehr üblich.
Auch wird der im Film entstandene Eindruck eines normalerweise patriarchalischen Gebarens des eritreischen Mannes von allen verneint. Es ist bei jungen Paaren heute normal, dass Beziehungs- und Familienprobleme miteinander gleichberechtigt besprochen werden. Dass die Beziehung zwischen den beiden Hauptbeteiligten schlecht läuft, hat vor allem damit zu tun, dass sie so früh verheiratet wurden (Merhawit war 14), danach getrennt lebten und sich 7 Jahre lang nicht gesehen hatten. Hier in der Schweiz war dann das junge Paar auf sich alleine gestellt, während in Eritrea die Familien mit Ratschlägen vermittelt hätten.

Dass Merhawit so wenig Motivation bei der Mitarbeit auf dem Hof und den Integrationsbemühungen von Emmi Ramser zeigt, stiess bei den Gesprächsteilnehmern auf Unverständnis. Die Flüchtlinge erklärten, dass man froh gewesen wäre, wenn sich jemand so verständnisvoll, aufopfernd und intensiv wie die Ramsers um sie als Neuankömmlinge gekümmert hätte. Die Bauernfamilie wurde für ihr Engagement, den Durchhaltewillen und ihre liebenswürdige Art sehr gelobt und bewundert.

Übrigens, auch in Eritrea würde eine Schwangerschaft nicht als Krankheit verstanden. Die Frau arbeitet bis am Schluss der Schwangerschaft mit, soweit es die Gesundheit zulässt. Auch der Widerwille von Merhawit bei der Gartenarbeit sei unüblich, denn in Eritrea gehöre die Gartenarbeit als traditionelle Selbstversorger auf dem Land zu den Aufgaben einer Frau.
Man erklärte sich die Unlust der jungen Frau damit, dass sie im Gegensatz zu ihrem Mann nicht aus Verfolgung und Not in die Schweiz kam. Sie musste als Ehefrau mittels Familiennachzug ihre Familie aus einem vermutlich armen aber unbedrohten Umfeld verlassen. Zudem brachte sie eine völlig unrealistische Vorstellung – einer Ehefrau in der westlichen, reichen Schweiz – mit.
Aber man kritisierte auch ganz klar die unübliche Haltung von Tesfu, der sich trotz Frau und Kind nicht um die Familie kümmert. Man hatte kein Verständnis dafür, dass er die Wochenenden wie gewohnt bei seinen Freunden der Kirchengemeinschaft in St. Gallen verbringt und manchmal sogar unter der Woche ohne Absprache mit seiner Frau über Nacht wegbleibt. Dafür gab es mehr Verständnis für den Unmut von Merhawit und die spätere Trennung von Tefu.

Intensiv wurde auch die Praxis beim Stillen der Babys diskutiert. Dabei ergaben sich überhaupt keine kulturellen Unterschiede. Man hatte innerhalb beider kulturellen Gruppen unterschiedliche Auffassungen. Offensichtlich spielen bei der Still-Dauer und ab wann feste Nahrung sinnvoll ist, die persönlichen Einstellungen der Frauen eine grössere Rolle als ihre Herkunft.

Bei der Frage, wie viel Integration und wie viel Bewahrung der eigenen Kultur richtig sei, waren die Eritreer erstaunlicherweise eher für eine striktere Integration. "Wer hier leben will, der muss sich auch anpassen", war ihre mehrheitliche Meinung. Die Einheimischen vertraten eher die Ansicht, dass eine angeborene kulturelle Identität kaum abgelegt werden kann. Doch Integrationswillige würden schnell merken, wo sie sich anzupassen hätten und wo sie ihre kulturellen Gepflogenheiten weiterhin pflegen könnten.

Im Anschluss an den Film wurde die DOC-Sendung des Schweizer Fernsehens sehr gelobt. Man fand es gut, dass solche Dokumentationen ausgestrahlt werden. Sie fördern das Verständnis der Schweizer zur Integration, zeigen allen die Schwierigkeiten und Chancen und beseitigen gegenseitig Missverständnisse. Alle wünschten sich, dass mehr über die verschiedenen Kulturen und die Integration der Geflüchteten mit den Betroffenen auf beiden Seiten direkt diskutiert wird. Das 'willisauer café international' bietet übrigens jede Woche eine sehr gute Gelegenheit dazu.

Ganz herzlichen Dank an alle, 
die diese spannende und informative Diskussion möglich machten. 
Der Dank geht auch an das Schweizer Fernsehen,  das uns für diesen Anlass die Vorführrechte für ihren Film gab.

Den Film sehen:




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